Tsunamis im Wasserglas

Scheißstürme im Internet

Die Bloggergate-Affäre zeigt meines Erachtens ein paar interessante Dinge über die Blogosphäre. Zum einen belegt sie, das Blogger mittlerweile Gewehr bei Fuss und Finger an Tastatur stehen, um bei Bedarf reflexartig, sofort und jederzeit einen Shit-Storm loszutreten. Tatsächlich vermute ich mal, dass ich mit meinem letzten Artikel selber ein kleiner Teil dieses Shitstorms bin.

Bislang ist mir aber noch keine derartige Empörungswellen aufgefallen, die nicht in direktem Bezug zum Internet stehen, seien es Abmahnanwälte, die den Streisand-Effekt erfahren sollen, der JMStV oder andere Formen der Internetzensur. Themen von außerhalb können diese geballte Kraft nicht entfalten, jedenfalls noch nicht. Dazu ist die Blogosphäre jedoch auch zu diversifiziert und hat als Schnittmenge eben nur das Internet.

Überplätschern auf die Medien

Immerhin finden die Befindlichkeiten der Blogosphäre vermehrt auch Gehör in den (Onlineauftritten der) klassischen Medien. Nicht nur heise online und SPON netzwelt als netzaffine Sprachrohre berichten über den Möchtegern-Tsunami, sondern auch die taz tut es. Ob das als positives Wertemerkmal für die Blogs oder als negatives der Medien zu bewerten ist, bleibt fraglich. In diesem Fall vermutlich beides. Oder vielmehr haben beide versagt. Während in Ägypten das Internet ganz abgeschaltet wird, diskutiert man hier eben über Schleichwerbung

Ausdauerschwimmer und Ertrinkende

Für Sascha Pallenberg hat sich die Aktion zumindest auf den ersten Blick wohl gelohnt, denn nicht nur auf seine beiden Artikel zum Thema wurde ausgiebig gelinkt, sondern auch auf zahlreiche vermeintlich zweifelhafte, die nun gegen ihn verwendet werden sollen, wie zum Beispiel eine Verlosungsaktion, die er auf seinem Blog durchgeführt hat. Im Gegenzug verliert er damit eine Reputation, die er anscheinend bei vielen ohnehin niemals hatte. Sobald sich die Aufregung gelegt hat wird sich die Sache für ihn gelohnt haben.

So zeigt sich aber auch, mit welchen Methoden und PR-Bandagen mittlerweile gekämpft wird. Außerdem prallen hier Blogschreiber aufeinander, die für die idealistischen Werte des Internets, aber auch zumindest indirekt für ihr eigenes Gewicht und Meinungsführerschaft eintreten gegen die wirtschaftlich orientierten Blogs, die meist in Themenbereichen mit Warenbezug oder zumindest SEOnähe um schnödes Geld kämpfen.

Dazwischen stehen die ganzen mittleren und kleineren Blogs, die beim Geld oder beim Gehör auch gerne mitspielen wollen und jeder schreit so gut er eben kann. Klar, dass sich viele für eine handvoll Euro verkaufen, wenn es nur darum geht, einen Link zu setzen. Habe ich sogar auch schon gemacht, für ein paar Seifenblasen.

Letztlich ist das ganze Zerren, Zetern, das Feilschen und das Heischen um Aufmerksamkeit als wäre man auf einem türkischen Basar doch auch ganz schön. Jeder darf mitspielen, kommt vielleicht gar mal ins Rampenlicht und es ist schön bunt. Der Zuschauer (Leser) wird unterhalten und kann hier einmal schauen und dort auch. Allerdings lernen wir auch hier wieder: das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Schleichwerbung kann möglicherweise doch rechtliche Folgen haben. Doch letztlich sollte man da kein Spielverderber sein, in der Blogosphäre und auf dem türkischen Basar ist alles erlaubt. Man darf sich nur nicht erwischen lassen, sonst wird mal mit faulem Obst oder mit Scheiße beworfen. Aber das läßt sich ja zum Glück auch wieder abwaschen.

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2 Responses

  1. January 31, 2011

    […] dem verebbten Bloggergatetsunami, sind auch die etablierten Internetmedien in den Verdacht von Schleichwerbemethodiken geraten. […]

  2. February 4, 2011

    […] Blogger tatsächlich verhalten sich indifferent. Ich habe aus der Diskussion herausgelesen: “Ein anständiger Blogger, der was auf sich hält, macht keine Schleichwerbung […]