Das Phänomen Hype

In den letzten Tagen gab es anscheinend einen kleinen Hype, um einen Auftritt der Poetry Slammerin Julia Engelmann, der sowohl durch die Medien als auch durch die Blogosphäre ging. Das Video bei Youtube hat bereits eine Million Aufrufe mehr als 15000 “Gefällt mir”s.

Was ich daran spannend finde ist, dass es für mich ganz eindrucksvoll das Wesen des Hypes aufzeigt. Sicherlich ist es ein netter Text. Doch es ist ja nicht so, dass dieser Text einzigartig ist und wer sich bei Youtube mit dem Begriff “Poetry Slam” beschäftigt, wird Dutzende Auftritte von mindestens gleicher Qualität finden. Aber es ist eben dieser eine, der es augenblicklich in das Blickfeld der Massen geschafft hat.

Das finde ich interessant, weil es für mich ein paar Fragen erneut stellt. Die erste wäre die Frage nach dem Weltbild, da der Hype aus dem großen und komplexen Gebiet des Poetry Slams einen Clip herausgreift und damit die Gefahr verursacht, dass dieser das Gesamtbild bestimmt. Ich glaube vermutlich auch, das Skater sich ständig übelst auf die Fresse packen, Hunde stets seltsame Kunststücke vollführen und Multiplayer-Rollenspiele das Ziel haben, den Endgegner im Sololauf zu erlegen. Das ist natürlich von dem Hype nie so behauptet worden, aber dennoch oft das, was beim oberflächlichen Betrachter hängenbleibt und unbewusst seine Einstellung prägt.

Dann ist natürlich eine der vielen medientheoretischen Fragen, die solch ein Hype aufwirkt, die, ob dieser immer noch eher von den klassischen Medien befeuert wird oder ob die Blogosphäre (allgemein die Internetwelt) solche Hypes stärker befeuert. Nach meiner Beobachtung kommt es dabei stark auf das Hypethema an und irgendwann ist es dann oft in beiden Medienformen zu finden.

Außerdem stelle ich mir immer wieder die Frage, welchen Anteil die Qualität des Materials an dem Hype hat. Also guckt und vor allem verbreitet man ein Material (etwa durch darüber reden) deshalb, weil es so gut ist oder weil es durch den Hype so bekannt ist. Der Text von Julia Engelmann ist sicherlich gut, aber so gut, dass jeder ihn gucken muss? Wieso teilen wir dann nicht regelmäßiger andere Dinge, die wir gut finden? Ich denke, sobald der Hype einen gewissen Grad hat, geht es hauptsächlich um die Freude am bekannten Thema. Den Cowboytanz von Psy habe ich mir schließlich auch irgendwann angeguckt, obwohl es nicht mein Interessengebiet war und ich ihn grauenhaft fand. Aber immerhin weiß ich jetzt worüber alle reden und kann mitreden.

Allerdings lässt mich jeder Hype immer ein wenig ratlos zurück, denn er stellt immer mein Weltbild auf die Probe. Wenn etwas eine Million Klicks, Mitglieder oder Fans hat, dann denke ich immer, es muss richtig gut sein. Dann baue ich automatisch eine Erwartungshaltung auf, die logischerweise meist enttäuscht wird. So wie überschwengliche Filmempfehlungen oder zu große Vorfreude auf eine Party bei mir meist zu ernüchternden Erlebnissen führen. Darum mag ich meist nicht, was gehypt ist, weil Qualität und Resonanz auseinander geraten. Und das macht mir oft Angst, weil ich dann das Gefühl habe, als einziger nicht das überbordend Besondere sehen zu können, das allen andern anscheinend offensichtlich ist.

Am Ende weiß ich natürlich auch, dass ich das in der Praxis falsch angehe und viel zu wörtlich nehme, was eigentlich nur ein großer Massenspaß sein soll, eben ein Phänomen.

Nachtrag (20.01.2014): Den Link hinter “durch die Blogosphäre” habe ich entfernt (siehe auch: “Keine Trackbacks setzen“) – es sind aber unschwer zahlreiche andere Blogbeiträge im Internet zum Thema zu finden.

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1 Response

  1. January 28, 2014

    […] dem Hype des Julia Engelmann-Textes und dem Shitstorm gegen Markus Lanz, versucht nun anscheinend sogar […]