Die Gerechtigkeit der Anderen

Die Entscheidung ist gefallen und sie ist so falsch, dass es weh tut. Immer wieder, wenn etwas bewertet worden ist, entspricht das Ergebnis nicht den eigenen Erwartungen: Die Hitparade besteht nur aus schlechten Liedern, das gelesene Bestseller-Buch enthält zwar mehr Grautöne als jeder Loriotsketch, ist aber trotzdem ein literarischer Tiefflug und die Vorgesetzten in der Firma sind ahnunglose Idioten. Das Ergebnis ist so falsch, dass man sich die Haare raufen möchte und sich fragt, ob die ganze Welt an Geschmacksverwirrung leidet oder man selbst unbemerkt den Realititätssinn verloren hat, dass man der einzige ist, der das erkennt.

Bevor man vollends verzweifelt, sollte man jedoch versuchen, das Bild wieder einigermaßen gerade zu rücken. Denn schließlich muss es irgendeinen Grund für diese eklatante Fehlentscheidung geben. Denn letztlich ist die Entscheidung eine Tatsache, die auf einer oder mehrerer Ursachen beruht, einige davon sind sachliche Ursache, während andere im subjektiven Maßstab begründet liegen.

– ein tatsächlicher Fehler: Das Ergebnis ist gar nicht das Ergebnis. Es wurden Listen vertauscht, Namen verwechselt und die Bewertungsjury wurde nach Strich und Faden betrogen, dass sie zu dem falschen Ergebnis kam. Oder zumindest hat sie entscheidende Dinge übersehen, so wie ein Schiedsrichter, der auf Tor entscheidet, weil er das Loch in der Seite vom Tornetz nicht gesehen hat.

– ein manipuliertes Ergebnis: Das Ergebnis ist offensichtlich falsch, wurde aber aus niederen Interessen so hingedreht. Die ungeliebte aber herrschende Einheitspartei  hat wieder 99,8 % der Stimmen erhalten, der unfähige Sohn vom Chef ist die Karriereleiter hinauf gefallen und eine globale Klimaerwärmung von 12 Grad wäre nach Meinung des von der Braunkohleindustrie bezahlten Experten auch noch völlig unproblematisch.

– ein glückliches Ergebnis: Der Zufall hatte seine Hand im Spiel und hat blindlings das falsche Ergebnis erstellt. Irgendjemand war zufällig zur richtigen Zeit am richtigen Ort und profitiert nun von etwas, was es so niemals hätte geben dürfen.

– andere Maßstäbe: Über Geschmack kann man nicht streiten. Auch wenn man über schlechten Geschmack reden sollte. Aber für einige sind eben Ochsenzungen das leckerste Essen und für andere nicht. Volksmusikbands mögen nicht jedem gefallen, haben in anderen Alters- und Gesellschaftschichten jedoch eine große Anhängerzahl. Ein Buch, das man selbst als banal und seicht empfindet, hat für andere eine tiefgehende emotionale Ebene. Solange die Maßstäbe nicht objektiv nachprüfbar hinterlegt sind, wird es niemals ein “absolut richtiges” Ergebnis geben.

– andere Kriterien: Häufig bewertet man eine Entscheidung als falsch, weil man die zugrunde liegenden Kriterien missversteht und übersieht, dass eine Entscheidung auf einer ganz anderen Ebene getroffen wurde als man selbst zugrundelegt. Sicher, die Band macht ziemlich schlechte Musik, aber der Frontsänger sieht einfach unschlagbar sexy aus. Und klar, der neue Verkaufsleiter hat zwar keine Ahnung vom Thema, aber er ist ein Verhandlungsgenie und seine Kundenkontakte lesen sich wie das Who is who der Branche.

Letztendlich gibt es also viele Gründe für “Fehlentscheidungen”, aber letztlich sind die meisten von ihnen Tatsachenentscheidungen, die auf einem der oben genannten Gründen beruhen. Wenn man diese Entscheidungen verstehen will, muss man sich also ehrlich mit den Ursachen auseinandersetzen, um in Zukunft vielleicht Einfluss auf bessere Ergebnisse zu haben oder zumindest nicht komplett in Neid und Missgunst zu verfallen.

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